Ich sitze im Zug zum Bahnhof Meidling und mein gepackter Rucksack steht neben mir. Meine erste Reise als Bergwanderführer hat soeben begonnen. Der Abschied von der Familie, insbesonders von Anna-Lena, die wie eine Klette an mir gehangen ist, ist nicht leicht gefallen. Viele Fragen gehen durch meinen Kopf – Wird alles klappen ? Wie werden meine Mitreisenden sein ? Wie wird es sein, innerhalb von zwei Jahre fast die gleiche Tour noch einmal zu gehen ? Am Bahnhof Meidling geht es kurz zu McDonald bevor ich meine ersten beiden Mitwanderinnen treffe. Susanne und Christine, beide Krankenschwestern, erscheinen pünktlich mit ihren relativ kleinen Rucksäcken, und scheinen gute Laune mitgebracht zu haben. Wir besteigen den Zug, welcher mit 5 Minuten Verspätung um 20:35 Uhr wegfährt und teilen uns unser 6er-Liegewagen-Abteil mit einer jungen Frau aus Wien, die ebenfalls nach Florenz fährt, und zwei Damen mit russischen Akzent, die uns schon in Bologna verlassen werden. Schon vor dem Semmering wird das Abteil umgebaut und ich entscheide mich für ein Plätzchen ganz oben. Dies stellt sich leider als Fehler heraus, da es dort ca. 7 Grad mehr hat als in den untersten Reihen, wo es auch schon recht warm ist. Susanne, meine Leidensgenossin gegenüber von mir, geht mitten in der Nacht sogar für 1 Stunde auf den Gang, um sich abzukühlen ! Aber auch diese Nacht geht irgendwie vorbei und nach dem Zugfrühstück mit Croissant, Marmelade und Tee spuckt uns der Zug um 06:50 Uhr in Florenz aus. Wir erschrecken etwas, als wir den Bahnhof verlassen und überall extrem viel Müll auf der Straße liegt. Später erfahren wir, daß die „Weiße Nacht“ schuld daran ist, dass die Müllräumung alle Hände voll zu tun hat, um vor der Touristen-Rush-Hour die Stadt wieder halbwegs herzurichten. Wir stapfen mit unseren Rucksäcken an der eindrucksvollen Kathedrale vorbei zum Fluss Arno und zur Ponte Vecchio, die genauso verwaist ist, wie bei meinem ersten Besuch vor zwei Jahren. Nach einem kleinem Spaziergang entlang des Arno, wo wir eine zutrauliche Ente und eine entspannte Schildkröte beobachten können, finden wir am Platz der Kathedrale ein kleines Cafe, welches soeben die ersten Sessel rausgestellt hat. Susanne ist leider ein wenig angeschlagen, und klagt über eine verstopfte Nase und Kopfweh, aber gemeinsam mit Christine finden die beiden rasch das passende Mittelchen aus ihren ausgiebigen Vorrat an Medikamenten. Ich muss die Damen leider eine wenig hetzen, da ich am Weg nach Livorno auch noch kurz den schiefen Turm von Pisa sehen möchte. So gehen wir rasch zum Bahnhof zurück, ich zaubere schnell die Tickets aus dem Automaten und wir erwischen den Zug um 09:28 Uhr. Im Zug stellt sich heraus, dass wir das Ticket hätten entwerten müssen, aber da ist es schon zu spät. Gott sei Dank kommt kein Schaffner, dem ich das Missverständnis mit meinem nicht vorhandenen Italienisch erklären muss. In Pisa steht der Turm leider nicht direkt neben dem Bahnhof und so bleibt bei einer halben Stunde Gehzeit pro Richtung nur eine Viertelstunde für ein Erinnerungsfoto und eine Umrundung des Turms. Viel länger hätte ich es bei dem Touristenandrang aber auch ohne Zeitdruck nicht ausgehalten :-). Den Zug nach Livorno erwischen wir knapp nach dreimaligen Wechsel des Bahnsteiges und so schaffen wir es kurz nach 12:00 Uhr auf den Busplatz vor dem Bahnhof von Livorno. Dort warten wie ausgemacht Sonja und Helga auf uns, die für die Florenz/Pisa-Kombination 2 Tage gebraucht haben, und daher schon am Dienstag mit dem Flieger nach Florenz gereist waren. Da (für mich überraschend) der 1. Mai auch in Italien ein Feiertag ist, warten wir vergeblich auf den Bus. Wir müssen uns also zu Fuß auf den langen Weg zum Hafen von Livorno machen. Offene Supermärkte sind heute leider auch Mangelware und so rasten wir kurz in einem Cafe, bevor wir zum Check-In der Fähre gehen. Wir lassen uns Zeit, da die Schornsteine unserer Fähre schon gut sichtbar sind. Dabei geraten wir jedoch in eine Sackgasse, da eine mobile Brücke, die vor zwei Jahren noch in Betrieb war, inzwischen stillgelegt wurde. Also einmal rundherum, die Extrakilometer bewältigen wir im Laufschritt – nur wenige Minuten nach Erreichen der Fähre legt diese auch schon ab. Ich rauche an Bord eine Entspannungszigarette, denn nun kann nicht mehr viel schiefgehen, wir werden Korsika wie geplant erreichen. Angekommen in Bastia müssen wir am Schiff ziemlich lange warten, bis die Fahrzeuge die Fähre verlassen haben, bevor wir selbst endlich korsischen Boden unter den Füßen haben. Wir gehen zum Best Western Hotel bergauf am Bahnhof vorbei, wo wir uns vergewissern, dass der Frühzug am nächsten Morgen auch tatsächlich fährt. Aufgrund des Feiertages und der zahlreichen geschlossenen Lokale nehmen wir das Abendessen im Hotel ein, wo es eine eingeschränkte aber ausreichende Karte gibt und stossen auf unsere Reise an.